Der historische, aber zugleich auch der aktuelle Sitz des Stadtrates ist, neben der Basilika, das zweitgrößte und eindrucksvollste Baudenkmal der Stadt Kolberg. Eine Perle der Altstadt, oft auf Bildern, Fotografien und Postkarten verewigt. Auch wenn es an eine schottische Burg erinnert, ein berechtigter Vergleich, suchte doch der Architekt ebenda seine Inspiration, steht fest, es hatte niemals eine militärische Funktion. Dabei ist es nicht einmal so alt, wie man es von einer Stadt mit tausendjähriger Geschichte erwarten mag. Das Gebäude aus rotem Backstein wurde 1829 - 1832 nach einem Entwurf Karl Friedrich Schinkels in neogotischem Stil erbaut. Damals bedurfte die Stadt eines neuen Rathauses. Das alte war 1807, bei der Belagerung durch napoleonische Truppen, abgebrannt. Von diesem aus dem 14. Jahrhundert stammenden Vorgängerbau zeugen nur noch Teile des Kellers und die nordwestliche Ecke, dort wo es heute zum Landratsamt geht. Den Unterschied zwischen Gotik und Neogotik erkennt man mit bloßem Auge an den völlig anderen Ziegeln, Fenstern und Steinsäulen.
Aus der Vogelperspektive betrachtet erinnert das Gebäude an den Buchstaben “C” und ist nach Süden hin offen. Auf seiner Frontseite finden sich der Innenhof, der Haupteingang und die Eingänge in die Rathausflügel. In der Mitte erhebt sich der Uhrenturm mit dem Wappen der Stadt und dem polnischen Staatswappen. Von ihm erklingt täglich um 9, 15 und 18 Uhr das Hejnał, das städtische Trompetensignal. Gestützt auf die private Sammlung des Kolbergliebhabers Robert Maziarz beherbergt der Rathauskeller seit 2014 das Heimatmuseum "Patria Colbergiensis”. Robert Maziarz ersteigerte die Exponate auf Auktionen in der ganzen Welt, bis eine Sammlung entstand, die in seiner Privatwohnung keinen Platz mehr fand. Er beschloss auf eigene Kosten ein Museum zu stiften und seine Leidenschaft anderen zu präsentieren. Das Museum liegt gleich neben dem Musikrestaurant “Adebar”, das seit Jahren den wunderschönen Gewölbekeller nutzt. Dieser Keller zählt zu den Überbleibseln des alten, ursprünglichen Rathausbaus. In den oberen Stockwerken des Rathauses haben das Büro des Rates, das Einwohnermeldeamt, eine Galerie für zeitgenössische Kunst und einige Ämter und die Tourismusinformation ihren Sitz. Der historische Sitzungssaal wird für bedeutende Festlichkeiten genutzt.
Das zentral gelegene, historische Gebäude wird umgeben von den Gebäuden der sogenannten Neuen Altstadt, mit ihren zahlreichen Läden und Restaurants. Vor dem Rathaus findet sich ein Münzer, der Erinnerungsmünzen schlägt und seit 2015 steht auf dem Platz auch wieder ein Pranger, der allerdings nur von Touristen benutzt wird.
Früher stand der wirkliche Pranger auf der Rückseite des Rathauses. Man sollte dorthin gehen, schon alleine um die Legende von Jakob Adebar zu erleben. Aber Vorsicht, dieses drastische Lehrstück politischer Intrigen, Sensationen und der Liebe aus der Mitte des 16. Jahrhunderts ist nicht ganz jugendfrei.
Das Jahr 1524 war in Kolberg das Jahr des Aufstandes der Zünfte gegen die Patrizier der Stadt. Im September hatte Jakob Adebar an der Spitze des Aufstandes gestanden und es hatte niemanden gestört, dass er selbst Patrizier und Ratsherr war. Jakob war Sohn des Bürgermeisters und rechnete damit, einmal selbst dieses Amt bekleiden zu können. Doch bis dahin wollte er die seit Generationen anhaltende Fehde mit der den Rat dominierenden Schlieffenfamilie ein für alle mal lösen. Also brachte er es zur Revolte und schuf, um den Stadtrat zu schwächen, einen 48 köpfigen Rat der Zünfte, der Mitspracherecht in allen Dingen der Stadtpolitik erhielt. Die Patrizier verloren so ihr Monopol auf die Macht und Entscheidungen konnten nur durch beide Räte herbeigeführt werden. Doch damit nicht genug. Um weiteren Einfluss zu gewinnen wandte sich Jakob an den Bischof von Cammin, Erasmus von Manteuffel, und begann dessen Interessen zu vertreten. Das Gegenlager verstand dies als Verrat am Rat der Stadt. Im Ergebnis arrestierte man den jungen, ambitionierten Lokalpolitiker und richtete ihn, zwischen Weihnachten und Neujahr auf dem Schafott. In der Überlieferung wird das Drama der damaligen Zeit immer weiter ausgeschmückt. Einige erzählen Jakob habe ein kurzes, dafür aber sehr buntes leben gelebt. Er habe nicht nur seine politischen und wirtschaftlichen Interessen gelebt, sondern auch seine Faszination für das andere Geschlecht. Und gerade dies sei ihm zum Verhängnis geworden, heißt es, denn seine Anziehungskraft auf Mädchen und selbst Ehefrauen, soll der wirkliche Grund für seine Inhaftierung und Enthauptung gewesen sein. Wo hier wohl die Wahrheit liegt…?
Jedenfalls trägt eine der Säulen des Rathauses seinen Namen. Die Adebarsäule steht dort, wo einst der Pranger stand. Sie trägt das Maskaron eines Jünglings, Jakob Adebars, des legendären Anführers des damaligen Aufstandes. Man muss sich bücken um ihm in die Augen zu sehen und sein steinernes Gesicht zu streicheln. Das soll Glück bringen, und das Maskaron ist schon ganz abgeschliffen von den vielen Händen. Eines aber ist sicher. Die Säule mit dem Maskaron Adebars hat nicht nur die Zerstörung des napoleonischen Krieges überlebt und überlebt hat auch die Legende.