Etappe IV: Stettin – Gryfino [30 km]
Die Fahrt von Stettin nach Süden erfolgt auf Radwegen durch die Gemeinde Kołbaskowo, eine Zeit lang genau entlang der polnisch-deutschen Grenze. Kurz vor der Grenze kann man die Ruinen der Kirche in Pargowo sehen. Nach nur drei Kilometern in Deutschland fahren wir auf die Grenzbrücke über die West-Oder, die wir zuvor vom Aussichtsturm aus betrachten können. Anschließend durchqueren wir den Landschaftspark Dolina Dolnej Odry (Unteres Odertal) direkt nach Gryfino.
Der Name der Stadt leitet sich von den Gryfitern ab – einer Dynastie von Fürsten, die vom 12. bis zum 17. Jahrhundert in Westpommern herrschten. Das Wappen der Familie war seit 1214 ein Greif. Die Burgen der Gryfitów können wir in vielen Städten Westpommerns besichtigen, aber Gryfino gehört nicht dazu – und das nicht einmal, weil die Stadt 1945 stark zerstört wurde. Der nächstgelegene und größte Sitz der pommerschen Herzöge befand sich in Stettin. Gryfino hingegen konnte sich einer gotischen Altstadt rühmen, aus der die Kirche der Geburt der Heiligen Jungfrau Maria, das Bańska-Tor und Teile der Stadtmauer den Krieg überstanden haben. Die Stadt liegt im Herzen des Vogelparadieses, dem Tal der Unteren Oder. Die sich über mehrere Dutzend Kilometer erstreckenden Auen, Sümpfe, Wiesen und Moore bilden ein Mosaik von Lebensräumen, das besonders für Wasser- und Sumpfvögel geeignet ist, die hier in großer Zahl vorkommen. Im Herbst versammeln sich hier bis zu 9000 Kraniche! Unter anderem kommen hier 14 Arten aus dem Polnischen Roten Buch vor. Kein Wunder also, dass in der Nähe der Stadt mehrere Jahre lang Seeadler nisteten.
Eine weitere Naturattraktion in der Nähe von Gryfino ist der Schiefe Wald, ein Ort, dessen Ruhm längst die Grenzen Polens überschritten hat. Der Ort verdankt seinen Namen und seinen Ruhm den dort wachsenden, speziell geformten Kiefern. Der Wald wurde um 1934 gepflanzt und 1971 von Prof. Eugeniusz Ćwikliński bekannt gemacht. Damals zählte er 400 Bäume, die alle in geraden Reihen wuchsen und mit ihrer Krümmung nach Norden ausgerichtet waren. Heute ist diese Regelmäßigkeit der Anpflanzungen kaum noch zu erkennen – es sind nur noch 105 gekrümmte Kiefern übrig geblieben. Interessanterweise weiß niemand genau, warum der Wald gekrümmt ist. Es gab die fantastischsten Erklärungen, wie zum Beispiel die Einwirkung einer außerirdischen Zivilisation oder der Einfluss von Wasseradern auf die Pflanzen. Am wahrscheinlichsten ist jedoch, dass die Bäume einfach eingeschnitten, gebogen und zusammengebunden wurden, wobei der Trieb an den Boden gebunden wurde. Eine noch wichtigere und ebenfalls unbeantwortete Frage lautet: Warum sollte man den Wald verkrümmen? Auch hier gibt es mehrere konkurrierende Hypothesen. Vielleicht ging es darum, gekrümmtes Holz zu erhalten, aus dem man Bootsdecks, Fässer oder Kufen für sogenannte Hornschlitten herstellen konnte? Vielleicht sollte es eine Attraktion für die Kurgäste des nahe gelegenen (heute verlassenen) Sanatoriums sein? Obwohl die alten Bäume langsam verschwinden, haben die Förster beschlossen, einen neuen, ebenso krummen Wald anzupflanzen. Unweit des Originals wurde eine sogenannte Ersatzfläche angelegt, die in zwei Sektoren unterteilt wurde. In einem wurden Setzlinge gepflanzt, die von Bäumen aus dem Krummen Wald stammen und genetisch identisch sind. Im anderen wachsen nicht mit ihm verwandte Kiefern, die deformiert werden sollen. Auf diese Weise werden wir endlich herausfinden, ob es etwas in der Natur der hiesigen Bäume gibt, das sie krumm wachsen lässt. Die Revitalisierung und touristische Erschließung des Krummen Waldes nähert sich gerade ihrem Ende.
Gryfino verwandelt sich jedes Jahr im Winter in die Hauptstadt der Reisenden Polens. Das etwa eine Woche dauernde Reisefestival „Włóczykij” zieht seit mehreren Jahren mehr oder weniger bekannte Reisende, Reporter, Schriftsteller, Filmemacher und Musiker an, vor allem aber Menschen, die sich für die Welt, die Natur und die Kultur begeistern.
Verkehrsmittel: PKP-Bahnhöfe befinden sich in Stettin und Gryfino (auf der Strecke Stettin – Kostrzyn) sowie in Stettin Gumieńce, das mit der Deutschen Bahn erreichbar ist. Die Verbindungen werden von POLREGIO und Intercity sowie der DBahn am Bahnhof Szczecin Gumieńce bedient. Der Fahrplan ist auf den Websites https://portalpasazera.pl und www.bahn.de zu finden. In Stettin können Fahrräder kostenlos in öffentlichen Verkehrsmitteln transportiert werden. So kann man beispielsweise vom Stadtzentrum aus bis nahe an die deutsche Grenze fahren.
Straßenbelag: Asphalt 93 %, Kopfsteinpflaster 5 %, Betonplatten 2 %.
Verkehrsart: Radwege 83 %, allgemeiner Verkehr 17 %.
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